Blues
Blues
Der Blues, so wie wir ihn heute kennen ist grob gesagt eine Symbiose aus der europäischen und afrikanischen Musik, deren tonaler Verlauf sich stark unterscheiden. Er kommt aber weder aus Europa, noch aus Afrika sondern aus Nordamerika. Durch das Zusammenkommen beider Tonmaterialien entstanden neue Tonleitern, nämlich solche mit den Blue Notes. Unsere westliche (Volks-) Musik folgt dem Muster I - IV - V und dem 4/4 Takt, besser 4er Rhythmus; die afrikanische (Volks-) Musik kannte den europäischen "Marschrhythmus" hingegen nicht, in harmonischer Sicht vermeidet die afrikanische Musik die für uns wichtigen Leittöne. Und man verwendete Töne, die in unserem temperierten Tonsystem nicht vorkommen, nämlich die Blue Notes. Bei der Entwicklung des Blues hatten traditionelle afrikanische Melodien einen sehr großen Anteil, mit der Zeit entfernte sich die afrikanische Musik von ihrem Ursprung und es vermixten sich verschiedene Stilistiken. So kam der Blues auch zu europäischen Einflüssen und die Bluestonleitern orientieren sich infolge dessen bald auch an der Pentatonik (Durtonleiter ohne Quarte und Septime oder Molltonleiter ohne Sekunde und Sexte).
In der Pentatonik unterscheiden sich Dur und Moll nicht, so dass es hier eigentlich noch keiner Unterscheidung bedarf. Dennoch sagt man, dass im Blues die Besonderheit anzutreffen ist, dass eine Molltonleiter über Dur gespielt wird oder, dass der Blues in keines der beiden Tongeschlechter so richtig passt.
Hinsichtlich der harmonischen Form oder Struktur des Blues wurde z.B. die afrikanische Melodie in die europäische Harmonik der Kadenz (I, IV, V, I oder erweitert I, vi, ii, V, I) eingebunden unter mehr oder weniger deutlicher Beibehaltung der davon abweichenden Intonation. Das hatte auch durchaus praktische Gründe, da die Instrumente nach dem westlichen Tonsystem hergestellt wurden, die Gesangsmelodie aber in der Intonation frei ist.
Die am häufigsten anzutreffende Blues Form ist folgende:
Takt: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Akkorde: I (IV) IV I V (VI) I (V)
Hierbei muss bei einem Akkordwechsel nicht die Scale gewechselt werden! Man kommt also mit einer Tonleiter über die gesamten 12 Takte aus. Die Form ist natürlich nicht statisch, sondern kann nach allen Richtungen erweitert werden. Ein Blues wird oft nach dem Schema Frage und Antwort aufgebaut, hier bieten sich beim Solieren interessante Möglichkeiten.
Um eigene Themen entwickeln zu können müssen wir uns neben dem harmonischen Ablauf natürlich auch mit dem zu verwendenden Tonmaterial befassen. Also zunächst mal Pentatonik und Blue Notes. Wie ermitteln wir die Blue Notes?
Ausgehend von der C- Durtonleiter liegen die drei Blue Notes innerhalb einer Tonleiter:
a) zwischen kleiner und großer Terz
b) zwischen verminderter und reiner Quinte
c) die kleine Septime klingt wie eine Blue Note und wird daher als dritte Blue Note bezeichnet.
Der Blues kennt zwar keine Unterscheidung zwischen Dur und Moll, unser westliches Tonsystem hingegen schon. Bei einem Blues in A-Dur bedenken wir also zunächst die Grundsätze Moll über Dur und die Pentatonik.
Also A-Molltonleiter, diese hat das Tonmaterial der C-Durtonleiter beginnt aber mit dem 6. Ton.
Insbesondere die Verwendung der kleinen und großen Terz in der Mollpentatonik, macht die Bluestonleiter interessant und so ist die erste Bluesscale auch die am häufigsten verwendete. Aber wir erhalten im Ganzen mindestens drei verschieden Tonleitern, die sich alle über einen Blues spielen lassen:
Unter Verwendung der Bluesterz und der Pentatonik die Bluesscale 1.
Unter Verwendung der Bluesquinte, die Bluesscale 2 (= G-Durtonleiter, also die Tonleiter, die einen Ganzton unter der A-Durtonleiter liegt!). Das ist die Tonleiter mit Bluesterz und kleiner Septime, der sog. dritten Blue Note, ausgehend hier von der A-Durtonleiter! Man kann also über einen A-Dur Blues das Tonmaterial der G- Durtonleiter verwenden.
Und eine Kombination aus beiden, die Bluesscale 3.
Nun noch eine Besonderheit, die Blue Notes liegen wie oben gesagt zwischen zwei Halbtonschritten, werden also bei einem Bundinstrument wie der Gitarre, durch das Saitenziehen geschaffen. Da die Blue Notes zwischen den zwei oben erwähnten Halbtonschritten liegen, macht es Sinn beide entweder etwas zu ziehen, so dass sie fast den nächsten Ton erreichen oder ein Vibrato auf diesen Ton zu legen. Dieses funktioniert übrigens auch an beiden Enden der Intervalle, also z.B. Bluesterz über A-Blues ist C-Es, Bluesquinte ist C-Fis, so kann man auch bei einem Lauf das C ziehen!
Hier wird auch deutlich, daß sich der Blues weder in Dur noch in Moll packen läßt, sondern vielmehr eine eigene Tonalität besitzt.
Erweiterungen des Blues
- Der Blues eignet sich besonders gut zur Einfügung von Turnarounds. Das sind Progressionen, die stärker auf einen Akkordwechsel hinsteuern, z.B. bei den letzten beiden Takten des Bluesschemas oder am Anfang des Schemas, um von der Stufe I auf die Stufe IV zu gelangen. Also Endungen und Übergänge zwischen zwei Formteilen. Hier ist die Form des backcyclings besonders wichtig, was bedeutet, daß man sich von dem Akkord auf den man hinsteuern will rückwärts zum Grundakkord bewegt, unter Berücksichtigung der Melodieführung natürlich. Hier geht man folgendermaßen vor:
a) Man schaut sich den Dreiklang des Akkordes an, zu dem man auflösen will und wählt die Quinte.
b) Diese Quinte nimmt man als Grundton eines neuen Dreiklanges. Die Quinte des neuen Dreiklanges ist der Gundton des Akkordes, der zu dem Zielakkord führen soll.
- Eine weitere Möglichkeit ist die Akkordsubstitution. Im Blues ist besonders gebräuchlich die Halbtonschrittprogression, so dass man einen Zielakkord entweder durch Erhöhung oder Erniedrigung um 1/2 Ton auflösen kann.
- Eine andere Möglichkeit einen oder mehrere Akkorde zu ersetzen ist, im Falle eines Vierklanges, das b5 Substitut, denn beide Akkorde haben immer zwei Töne gemeinsam. Hier muß man also nur darauf achten, daß die Substitution nicht der Melodie ins Gehege kommt.
a) Von dem zu ersetzenden Akkord nimmt man die um 1/2 Ton erniedrigte Quint .
b) Hierauf baut man einen neuen Vierklang auf, welcher das Substitut bildet.
- Eine weitere Möglichkeit ist der Modale Austausch, was bedeutet, dass man einer Tonart die restlichen Modi des selben Grundtones gegenüberstellt. Auf jeder Stufe der Modi werden dann Akkorde aufgebaut und diese werden innerhalb der Modi getauscht, sofern sie sich hinsichtlich ihrer Funktionen in Bezug auf die Ausgangstonart unterscheiden. Voraussetzung ist auch hier natürlich, dass Melodie und Akkorde passen.
So kann z.B. ein Blues in A wie folgt reharmonisiert werden:
Grundform:
Takte: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Akkorde: A D A A D D A A E D A A
Reharmonisationen:
a) A Db9 / D7 / A / Ebm7 A7 / D7 / Am7 D7 / Db7+9 / Ab7+9 / B7 / E9 / Am7 F#m7-5 / B7E+7+9
b) A7 / D7 / A7 / A7 / D7 / D7 / A7 Bm / C#m Cm / B7 / E7 / A7 D7 / E7 /
c) A A7 / D Ddim / A E7 / A A7 / D7 / D7 / A Bm7 / A Bdim / Bm7 E7 / Bm7 E 7 / A D9 / A
d) A7 / D7 / A7 / A7 / D7 / D7 / A7 / F#7 / B7 / E7 / A7 F#7 / B7 E7/
e) Amaj7 / G#m7b5 C#7b9 / F#m7 B7 / Em7 A7 / D7 / Dm7 G7 / C#m7 F#7 / Cm7 F7 / Bm7 / E7 / A F#m7 / Bm7 B7
f) A7 / D7 / A7 / Em7 Ebm7 / Dmaj7 / Dm7 G7 / A maj7 / F#7#9 F#7b9 / B7 / Bm7 E7 / Amaj7 F#m7 / Bm7 E7
Eine weitere Bluesform ist der Moll Blues:
Takte: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Akkorde: Am (Dm) Am Am Dm Dm Am Am E7 Dm Am E7
Stufen: i (iv) iv i V iv i V
Hier könnte eine Reharmonisation wie folgt aussehen:
a) Am / Dm / Am / A7 / Dm / Bm7 E7#9 / Am / Am7 / F7 / E7#9 / Am / E7#9
b) Am11 D11b13 / Dm9 G9 G#m11 C#7 / Dmaj7 D6 / D#m9 G#9/ Dm9 / G#9/ Dm7 G13 / Dmaj7 Em7 / F#m7 B7+b9 / Em7 Em9 / A#m7 D#9 / D F#9 / E9 D#9